Ein großer Schritt nach vorn mit dem Vergabegesetz

Das neue Ausschreibungs- und Vergabegesetz wurde soeben im Abgeordnetenhaus beschlossen! Damit gilt ab jetzt ein Mindestlohn von 12,50 € für alle Vergaben des Landes Berlin, was Tausenden von Beschäftigten zugute kommt. Zugleich wird der Standort Berlin auch insgesamt sozial und ökologisch gestärkt!

Hier können Sie meinen Redebeitrag zur heutigen Debatte am 2. April 2020 nachlesen:

 

Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

auch ich komme heute nicht umhin, ein paar Worte über die aktuelle Situation zu sagen.

Zunächst gilt mein großer Dank dem Personal in den Krankenhäusern und Gesundheitsämtern, bei Feuerwehr und Polizei, in den Supermärkten sowie in vielen weiteren Bereichen. Wir alle erleben, wie diese Menschen, auf die unsere Gesellschaft so verzweifelt wie nie zuvor angewiesen ist, tagtäglich einen fantastischen Job machen und über sich hinauswachsen. Gerade auch um ihre Interessen geht es bei dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetz!

Gleichzeitig sind meine Gedanken bei den zahlreichen Menschen, die unmittelbar und mittelbar unter dem Corona-Virus leiden. Als Politik sind wir jetzt mehr gefordert denn je, die richtigen Schlüsse aus der Krise zu ziehen, unsere Arbeit fortzusetzen und dabei ebenfalls einen guten Job zu machen.

Nur scheinen einige Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause – z.B. Herr Dregger vorhin oder Herr Goiny eben -und auch vereinzelte Stimmen von außerhalb der Meinung zu sein, dass wir aufgrund der Krisensituation Gesetzesvorhaben, die zu sozialen und ökologischen Verbesserungen führen, jetzt auf Eis legen sollten. Deshalb möchte ich gerne noch mal daran erinnern, was uns die Krise tagtäglich lehrt:

Erstens können Leugnen, Verharmlosen und verspätetes Handeln fatale Konsequenzen haben. Das gilt nicht nur für das Corona-Virus, sondern z.B. auch für den Klimawandel.

Zweitens gibt es in zu vielen Branchen und in lebenswichtigen Einrichtungen nach wie vor ein grobes Missverhältnis zwischen finanzieller Anerkennung und gesellschaftlichem Wert von Arbeit, das nicht mehr hinnehmbar ist, und uns im Falle des fehlenden  Pflegepersonals auch gerade auf die Füße fällt.

Drittens können politischer Wille und politische Zusammenarbeit in kürzester Zeit viel bewegen und verändern.

Die Koalition ist daher fest entschlossen, die Reform des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes nicht weiter auf die lange Bank zu schieben, sondern den vorliegenden Gesetzesentwurf hier und heute zu verabschieden.

Das seit ziemlich genau zehn Jahren geltende Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz  war seinerzeit ein mutiger Schritt nach vorn. Jahre vor der Einführung eines bundesweiten gesetzlichen Mindestlohns hat das Land Berlin dafür gesorgt, dass bei Aufträgen im Einflussbereich des Landes keine Hungerlöhne mehr gezahlt werden, Güter und Dienstleistungen für das Land Berlin nicht länger unter ökologisch oder sozial prekären Bedingungen erbracht werden durften.

Und selbstverständlich sind dies Anforderungen, die durch das Land finanziell zu unterlegen sind – die Ausrichtung ausschließlich auf den günstigsten Preis für die Beschaffung ist damit nicht vereinbar.

Nach zehn Jahren ist jedoch eine Anpassung des Gesetzes wegen neuer europäischer Rechtslage wie auch aufgrund veränderter wirtschaftlicher Gegebenheiten nötig geworden.

Wiederum will das Land Berlin im Bereich der eigenen Beschaffungen mit einem Volumen von etwa 5 Mrd. € jährlich Vorbild sein. Es gibt zwar inzwischen dank der SPD auf Bundesebene einen gesetzlichen Mindestlohn, aber ist dieser längst noch nicht alterssicher in dem Sinne, dass er zu einer Rente führen würde, die ein Leben ohne ergänzende Sozialleistungen im Alter ermöglicht. Daher wollen wir den Mindestlohn im Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz auf 12,50 € pro Stunde erhöhen – analog zum Landesmindestlohngesetz, wie meine Kollegin Ülker Radziwill vorhin schon ausgeführt hat.

Zugleich soll aber auch deutlich werden, dass ein Mindestlohn tatsächlich nur das sozialpolitisch Mindeste darstellt, was Menschen für ihrer Hände Arbeit als Lohn erhalten, jedoch nicht den gewünschten Regelfall.

Daher wird in der Gesetzesnovelle auch eine Tariftreueklausel verankert, die sicherstellt, dass im allgemeinen nach Tarif bezahlt wird – eine Forderung, die bei Verabschiedung des Ausschreibungs- und Vergabegesetz schon beabsichtigt war, aber seinerzeit unter einer noch anderen europäischen Rechtslage durch das sog. Rüffert-Urteil ausgehebelt wurde.

Hier haben wir die Chance zu einer Neuregelung und machen davon Gebrauch.

Viel wurde im Vorfeld über die Wertgrenzen diskutiert, d.h. die Höhe der Vergabesumme, ab welcher der Mindestlohn und andere Regelungen erst gelten sollen. Den einen waren sie zu hoch angesetzt, den anderen wieder viel zu niedrig.

Ich glaube, mit der Evaluierungsregelung in § 18 ist ein sehr pragmatischer Weg zur Lösung dieses Problems gefunden worden: Es wird mit einer Vergabeschwelle von 10.000 € für Mindestlohn sowie Lieferungen und Leistungen mit Ausnahme des Baubereichs begonnen und nach einem Jahr überprüft, ob hierdurch 95 % aller Vergaben erfasst sind. Sollte die nicht der Fall sein, wird die Schwelle auf 5000 € gesenkt.

Insgesamt zeichnet sich das neue Gesetz durch erweiterte Kontrollmöglichkeiten aus und wird auch genauere Daten über das tatsächliche Vergabegeschehen liefern, die künftige Anpassungen des Gesetzes an sich ändernde Gegebenheiten erleichtern werden.

Das Gesetz ist ein großer Schritt nach vorn, der für Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine spürbare Verbesserung bedeutet und den Standort Berlin insgesamt sozial und ökologisch stärkt.

Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzesentwurf – vielen Dank!