Plenarrede zum Vergabegesetz am 14.11.2019

Plenarrede zum Vergabegesetz am 14.11.2019

Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

nachdem wir Anfang des Jahres hier schon einen Antrag der CDU zur Reform des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes beraten durften, das unübersehbar den Zweck verfolgte, das Gesetz seiner wesentlichen Inhalte zu berauben und es damit im Grunde überflüssig zu machen, legt die FDP nun einen Gesetzesantrag vor, der gleich die Aufhebung des BerlAVG zum Gegenstand hat. Das ist aus der wirtschaftsliberalen FDP-Sicht, die allein dem Markt die Kompetenz zuschreibt, alle sozialen Probleme automatisch mit zu lösen, vielleicht konsequent, aber natürlich wirtschafts- und sozialpolitisch an Ignoranz nicht zu überbieten.

Ich möchte noch einmal kurz in Erinnerung rufen, um welche vier Ziele es beim Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz eigentlich geht:

  1. Das Land Berlin, die Bezirke und die Unternehmen mit Landesbeteiligung vergeben Aufträge nicht als Selbstzweck, sondern um Güter und Dienstleistungen zu erlangen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben im öffentlichen Interesse benötigen.
  2. Hierbei generiert die öffentliche Hand ein Beschaffungsvolumen in der Größenordnung von 5 Mrd. EURO jährlich, das einen durchaus bedeutsamen Wirtschaftsfaktor für die Region darstellt.
  3. Es liegt im Interesse unserer Wirtschaftspolitik, dass insbesondere mittelständische Unternehmen in Berlin, die für die Zahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze in unserer Stadt eine entscheidende Rolle spielen, auch von diesem Beschaffungsvolumen profitieren können.
  4. Die öffentliche Hand hat bei der Auftragsvergabe allerdings auch eine Vorbildfunktion und kann ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um soziale, ökologische und andere Gemeinwohlinteressen im Zuge der Leistungserbringung sicherzustellen.

Gerade die beiden letztgenannten Punkte stehen natürlich in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander: Um die Hürden für ein mittelständisches Unternehmen, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, nicht zu hoch werden zu lassen, brauchen wir ein möglichst einfaches Vergaberecht – zur Gewährleistung sozialer und ökologischer Mindeststandards und eines transparenten Verfahrens bei ihrer Anwendung sind aber schon einige Regularien erforderlich.

Im Ausschreibungs- und Vergabegesetz aus dem Jahr 2010 haben wir diese Gratwanderung – meine ich – ganz gut bewerkstelligt, was natürlich nicht heißt, dass dieses Gesetz ein für alle Mal in Stein gemeißelt ist und keiner Anpassung bedürfe. Bei der Höhe des Mindestlohnes beispielsweise hat es schon mehrere Anpassungen an veränderte wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten gegeben und eine weitere Erhöhung ist aufgrund einer insgesamt positiven Lohnentwicklung über alle Branchen hinweg in Vorbereitung.

Die Anzahl der Vergabestellen muss deutlich reduziert werden, und es wird auch eine Novelle des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes geben, die weitere Vereinfachungen der Auftragsvergabe zum Ziel hat, ohne jedoch Abstriche bei den politischen Zielen des Gesetzes zu machen. Wer beispielsweise gegen Leistungserbringung durch Kinderarbeit etwas tun will, darf nicht großzügiger bei Auslegung des Begriffs Kinderarbeit werden, sondern muss geeignete Standards zur Zielerreichung festlegen, ohne hierdurch kleine und mittelständische Unternehmen weiter zu belasten.

Dass selbst die FDP ein Erfordernis für landesgesetzliche Regelungen neben dem Bundesvergaberecht sieht, zeigt ihr zweiter Antrag, der hier zur Beratung vorliegt. Die FDP fordert –  sozusagen als »Nachklapp« zu der von ihr gewünschten Aufhebung des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes – den Senat zu einer Überarbeitung der »Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt« auf. Die darin von der FDP genannten Ziele finden sich z. T. bereits im geltenden Ausschreibungs- und Vergabegesetz oder können dort rechtlich viel sauberer verankert werden als in einer Verwaltungsvorschrift.

Aber da das BerlAVG ja gar nicht abgeschafft wird, sondern reformiert werden soll, können Änderungsvorschläge, auch von Seiten der FDP, wunderbar ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Das gesprochene Wort kann vom Manuskript abweichen.]

Video zur Rede: https://www.rbb-online.de/imparlament/berlin/2019/14–november-2019/14-november-2019—49–Sitzung-des-Berliner-Abgeordnetenhauses/frank-jahnke–spd—top6.html