Plenarrede zum CDU-Antrag zur Änderung des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG) vom 24.01.2019

Frau Präsidentin,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

die CDU-Fraktion hat einen Entwurf für die Novellierung des Berliner Ausschreibe- und Vergabegesetzes vorgelegt, der in dieser Form nicht unsere Zustimmung finden kann.

Auffällig an dem Entwurf der CDU-Fraktion ist zunächst, dass der gesamte Paragraf 1 des geltenden Vergabegesetzes fast ersatzlos gestrichen werden soll. Dieser Paragraf umfasst genaue Regelungen zur Tariftreue und Mindestentlohnung. In Absatz 2 etwa wird die schriftliche Zusicherung, sich an die Tarifverträge zu halten zur Bedingung der Vergabe öffentlicher Aufträge erklärt. Absatz 4 legt fest, dass Unternehmen ein Mindeststundenentgelt zahlen müssen, das durch den Ermächtigungsparagrafen (§ 2) per Rechtsverordnung erhöht werden kann. Absatz 6 regelt, dass sich auch Subunternehmer sich an die Bedingungen halten müssen, die das auftragnehmende Unternehmen eingegangen ist.

Das alles sind grundlegende Normierungen, deren Sinn es ist, Ausbeutung und unfairen Wettbewerb durch Lohndumping oder das Outsourcing von Arbeit in Niedriglohnbereiche zu verhindern. Der Gesetzgeber hatte seinerseits – und zwar unter Beteiligung der CDU – sowohl die Sicherung guter Arbeit als auch die Förderung solcher Unternehmen im Sinn, die gute Arbeitsplätze bieten, da es gesamtgesellschaftlich und volkswirtschaftlich sinnvoll ist, Unternehmen und Arbeitsplätze zu fördern, die nachhaltig und sozialverträglich wirtschaften.

Die CDU möchte nun den bisherigen § 1 schleifen, d. h. keinen Vergabemindestlohn mehr festlegen, sondern verweist in ihrem neuen § 4 auf die gesetzlichen Vorgaben des Bundes. Sinnloserweise enthält dieser § 4 dann aber noch einen zweiten Absatz, der den Senat ermächtigt, »durch Rechtsverordnung Anpassungen der Höhe des zu zahlenden Mindestentgelts vorzunehmen«. Welches Mindestentgelt soll das sein – etwa der im Bundesgesetz festgelegte Mindestlohn? Hierzu kann der Senat gar nicht ermächtigt werden, aber ein anderes Mindestentgelt gibt es nach Streichung des bisherigen § 1 im Ausschreibungs- und Vergabegesetz der CDU gar nicht mehr. Was soll dann also die Grundlage dieser Ermächtigung sein?

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie dieser Gesetzesentwurf – freundlich gesagt – mit heißer Nadel gestrickt wurde, oder deutlicher gesagt, den juristischen Anforderungen eines Gesetzentwurfes nicht genügt. Es geht der CDU nur um die politische Absicht: Weg mit dem Vergabemindestlohn.
In dieselbe Kerbe schlagen der Paragraf 7 zur umweltverträglichen Beschaffung, der Paragraf 8 zur Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie der Paragraf 9 zur Frauenförderung. Auch diese Paragrafen werden im CDU-Vorschlag gestrichen und durch die lapidare Feststellung ersetzt, dass die Vorgaben des Bundes gelten sollen.

Was die Abwicklung der Frauenförderung angeht, schreibt die CDU in ihrer Begründung, dass – ich zitiere – »Firmen […] angesichts des akuten Fachkräftemangels schon aus eigenem Interesse alles tun, um Frauen im Betrieb zu halten und zu fördern«.

Werte Kollegen von der CDU: Wer hat sich das denn ausgedacht? Es gibt ein Gender Pay Gap, der Markt regelt es eben nicht von allein. Daher gedenken wir nachzuhelfen.

Umgekehrt wird also ein Schuh daraus: Wenn der Markt ohnehin darauf drängen würde, dass Frauen gefördert, ihr Gehalt dem Niveau der männlichen Kollegen angeglichen und generell, wie Sie ebenfalls feststellen, über Tarif bezahlt werden muss, um Mitarbeiter zu halten bzw. zu finden, dann dürfte eine entsprechende gesetzliche Regelung, gegen die Sie sich sträuben, ja wohl kein Problem sein.

Ich denke, Sie habe etwas ganz anderes im Sinn: Frauenförderung, altersfeste Entlohnung, ökolo-gische Nachhaltigkeit, möchten Sie auf das möglichst niedrigste Niveau absenken.

Nicht mit uns. Wir wollen mehr.

[Hinweis: Das gesprochene Wort kann vom Redemanuskript abweichen]