Plenarrede zum Corona-Krankenhaus in der Messe Berlin
Plenarrede zum Corona-Krankenhaus in der Messe Berlin (01.10.2020)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Nachrichten der letzten Tage und Wochen sind besorgniserregend: Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus steigt, 288 neue Fälle wurden allein gestern Nachmittag für Berlin gemeldet. Wir befinden uns nach wie vor mitten in einer Pandemie und die sog. zweite Welle baut sich gerade vor unseren Augen auf – oder mit den Worten des Virologen Christian Drosten: Wir sind die zweite Welle.
Und gerade in dieser Situation stellt die AfD-Fraktion den Antrag, doch, bitteschön, das Corona-Krankenhaus auf dem Messegelände wieder abzubauen. Es sei nämlich im Weg, und zwar der Bahntechnologie-Leitmesse INNOTRANS, die nach Verschiebung in diesem Jahr nunmehr im Frühjahr 2021 stattfinden soll.
Man hofft in der Antragsbegründung darauf, mit der INNOTRANS die Berliner Wirtschaft zu revitalisieren und auf einen „Neustart des Messewesens“. Man wünscht sich wieder die Welt zu Gast in Berlin. – Ja, das wünschen wir uns alle! Das Problem liegt allerdings darin, dass Wunsch und Wirklichkeit sich angesichts steigender Fallzahlen und dem noch immer fehlenden Impfstoff derzeit nicht zur Deckung bringen lassen. Die wirtschaftlichen Vorzüge, die das Messewesen für Berlin hat, ist der IBB-Studie ja zu entnehmen, die Sie hier zur Begründung heranziehen. Nur kommt darin die Pandemie-Situation natürlich nicht vor, doch sie ist nun mal Realität und sie verschwindet auch nicht, indem Sie auf Material aus der Zeit davor zurückgreifen.
Tatsächlich geht es der AfD aber auch gar nicht um die INNOTRANS als Messe und Wirtschaftsfaktor, wie sie es in der Antragsbegründung vorschiebt. Die INNOTRANS muss herhalten, weil sie in eben jenen Messehallen stattfinden soll, in denen sich nun das Corona-Krankenhaus befindet. Es ist ja schon fast drollig, wie die AfD formuliert: „Auf der Messe derzeit aufgebaute Corona-Behandlungskapazitäten können auch an anderer Stelle aufgebaut bzw. umgesetzt werden.“ Als ob es sich um ein Ausstellungsstück handle, das man leicht versetzen kann, eine Art Mahnmal an eine überwundene Pandemie, das einer weiteren wirtschaftlichen Prosperität nun im Wege stünde. Welchen vernünftigen Grund könnte es geben, dass Berlin noch einmal Geld in die Hand nimmt, um Platz für eine Messe zu schaffen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen die von Ihnen angeführten Besucherzahlen gar nicht generieren kann?
Bezeichnend an dem Antrag ist vor allem die Realitätsverweigerung, die aus fast jeder Zeile spricht. Als ob es die Pandemie nicht gäbe, sondern lediglich die Maßnahmen der Bundesregierung und des Senats. Ich weiß, dass es zahlreiche Verschwörungstheoretiker gibt, die der absurden Vorstellung nachhängen, die Pandemie diene nur als ein vorgeschobenes Argument für die Einschränkung von Freiheitsrechten und mittelständischer Wirtschaft im Interesse von Pharmakonzernen, Bill Gates oder sonstiger böser Mächte.Solche abstrusen Theorien können für uns im Berliner Abgeordnetenhaus keineswegs Richtschnur des politischen Handelns sein.
Der Antrag, das Corona-Krankenhaus abzubauen, lässt vielmehr die Beunruhigung der AfD-Fraktion durch die Realität erkennen: Das Corona-Krankenhaus soll als Symbol für ihre verdrängte Furcht beseitigt werden. An seine Stelle soll die Planung der Messe, d.h. der Zukunft rücken. Die Zukunft ist an sich ja unbekannt und damit beunruhigend, und die Planung einer Veranstaltung mag als eine Art Ausweichhandlung subjektiv beruhigen, weil es scheint, als hätte man die Zukunft im Griff. Aber man muss auch reagieren können auf Gegenwärtiges, das nun die ursprüngliche Planung beeinflusst, ob es einem gefällt oder nicht. Falls die INNOTRANS 2021 nicht stattfinden kann, dann sicherlich nicht wegen der fehlenden Messehallen, sondern wegen der Pandemie – das sei im Übrigen auch der FDP gesagt, die mit ihrem Änderungsantrag ja nichts substantiell am Ursprungsantrag ändert !
Ich danke für die Aufmerksamkeit!