Chancenstadt Berlin

Starker Wirtschaftsstandort durch Innovation. Plenarrede zur aktuellen Stunde am 27.09.2018

Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir diskutieren heute die wirtschaftliche Entwicklung Berlins und die Zukunftsaussichten unserer Stadt. Bei den vielen Themen, die politisch begleitet und entschieden werden wollen, und die wir hier zu Recht diskutieren, darf man jedoch nie aus den Augen verlieren, wie wichtig eine zukunftsfeste wirtschaftliche Grundlage ist. Das berühmte Zitat von Bill Clinton »It’s the economy, stupid« mag es vielleicht etwas simpel auf den Punkt bringen aber es unbestritten ist doch, dass all die hehren Ziele, die wir uns stadtpolitisch, sozialpolitisch oder in der Kultur setzen entscheidend von der ökonomischen Basis abhängen.

Wie sieht die Situation nun aus? – Tatsache ist, dass Berlin sich seit gut zehn Jahren in einem stabilen Aufwärtstrend befindet, mit Wachstumsraten über dem Bundesdurchschnitt und einer ebenfalls überdurchschnittlichen Zunahme der Beschäftigung. Vorbei sind die Zeiten jener wirtschaftlichen Depression zu Beginn des Jahrhunderts, als Berlin nach dem Platzen so mancher Illusion der neunziger Jahre vor der Notwendigkeit stand, sich völlig neu aufzustellen.

Es liegt mir fern, alle wirtschaftlichen Erfolge allein der Politik zuzuschreiben. Sie beruhen vorrangig auf der Leistung der Menschen und ihrer Arbeit in Unternehmen, aber es wurden doch etliche Weichen in der Politik richtig gestellt. Bereits in der ersten Legislaturperiode des sozialdemokratisch Senats unter Klaus Wowereit ab 2001 kam Berlin allmählich aus der Provinzialität des Denkens der neunziger Jahre heraus und begann, sich zu einer tatsächlich internationalen Metropole zu entwickeln, von der zuvor nur vollmundig geredet worden war.

Heute können wir auf eine gesunde Grundstruktur der Berliner Wirtschaft blicken, und was noch wichtiger für die Zukunft ist: Es gibt eine hohe Innovationsfähigkeit und den Innovationswillen, der die Basis für eine auch künftig starke wirtschaftliche Entwicklung bietet. Der jüngsten Erhebung der Technologiestiftung Berlin zufolge haben Berliner Unternehmen 2016 fast 2,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Am innovativsten waren demnach die Elektro- und Optikbranche, die Software- und Datenverarbeitungsbranche dicht gefolgt von Chemie- und Pharmazie. Berlin liegt bei der Innovation in diesen Feldern deutlich über der deutschlandweiten Vergleichsquote. Da im Vorjahr bereits ein Rekordwert erreicht wurde, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es sich um eine Stabilisierung der Innovationsausgaben auf hohem Niveau handelt.
Auch im Medienbereich, bei den Verlagen, bei Film, bei Rundfunk und Telekommunikation lag die Steigerung der Investitionen im Vergleich zum Vorjahr signifikant über dem Bundesdurchschnitt und zeigt, dass dieser Branche ebenfalls eine besondere Bedeutung für Berlin zukommt.

Gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen erweisen sich in Berlin als Innovationstreiber. Bei uns bestreiten sie 26 Prozent der Innovationsausgaben, im Bund sind es nur 14,5 Prozent. Deutlich erkennbar ist dabei eine starke Bereitschaft, mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zu kooperieren.

Diese Entwicklung nimmt den Arbeitsmarkt mit. Sie kommt also auch bei den Bürgerinnen und Bürgern an. Berlin liegt bei der Zunahme der Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten seit Februar 2012 an der Spitze aller Bundesländer. Im Vorjahresvergleich stieg die Zahl der Beschäftigten zum Jahresende 2017 um 54.400, das heißt die Beschäftigungszuwachsrate betrug 3,8 Prozent. Als Sozialdemokrat kann und will ich nicht verschweigen, dass gerade im Hinblick auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit, noch viel getan werden muss, aber die berüchtigte »Rote Laterne« im Vergleich der Bundesländer hat Berlin nicht mehr. Es kommt nun darauf an, die Nachhaltigkeit dieses Trends zu sichern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass er auch überall in der Gesellschaft ankommt. Das Solidarische Grundeinkommens, wie es der Regierende Bürgermeister Michael Müller in die Diskussion gebracht hat, kann hierbei ein wichtiger Baustein sein. Es sich hierbei um ein wohl durchdachtes strategisches Konzept, das darauf abzielt, wirklich alle bei der ökonomischen Entwicklung mitzunehmen und zu verhindern, dass Menschen abgehängt werden oder als sog. »Aufstocker« in prekären Arbeitsverhältnissen festsitzen. Die zahlreichen Irritationen, die die politische Landschaft seit einiger Zeit durchziehen, haben doch damit zu tun, dass viele Menschen genau dies befürchten oder ihre eigene Lage sogar schon so wahrnehmen. Dem gilt es politisch entgegenzusteuern.

Wir müssen Innovation in Berlin als Chance ergreifen. Die Digitalisierung schreitet unaufhaltbar voran. Sie wird das nicht stetig und langsam tun, sondern mit wachsender Geschwindigkeit. Selbstverständlich kann das disruptive Effekte mit sich bringen, die sich auch auf dem Arbeitsmarkt zeigen können. Für Berlin aber ergeben sich im Kontext dieser Entwicklung spezifische Chancen, die wir nutzen können und nutzen sollten. Wir können tatsächlich so etwas wie eine Hauptstadt der Digitalisierung werden, da Fachkräfte aus aller Welt, die man hierfür braucht, gern in unserer weltoffenen Stadt leben wollen. Die vielzitierte »Industrie 4.0« könnte tatsächlich einen ähnlich starken Entwicklungsschub auslösen, wie ihn vor gut hundert Jahren die Elektrifizierung für Berlin bewirkte. Aber heutzutage ist dies nur in einer internationalen Metropole denkbar.

Ich möchte das an einem Beispiel aus meinem Wahlkreis erläutern. Dort fand vorgestern Abend die offizielle Eröffnung des Berliner Studios des Videospieleherstellers UbiSoft statt. UbiSoft wurde 1986 gegründet und ist heute eine der Großen dieser Branche. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Entwicklungsarbeit ist dabei dezentral und vernetzt angelegt, d.h. die global verteilten Studios kooperieren ständig miteinander. Dank der Unterstützung durch den Berliner Senat, Berlin Partner und die Bundesregierung »siedelt« UbiSoft also nun auch in Charlottenburg im ehemaligen Gebäude der Berliner Bank. Bereits in der kurzen achtmonatigen Anlaufphase hat das Unternehmen seine Wachstumsziele für das ganze erste Jahr bereits um 40 Prozent übertroffen.

Der Arbeitsmarkt, in dem eine Marke wie UbiSoft agiert, ist ein Arbeitnehmermarkt. Hier geht es darum, gute und nachhaltige Stellen zu schaffen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu werben. In einem solchen Markt hat eine Stadt wie Berlin herausragende Chancen, denn hier sind kulturelle Vielfalt, Urbanität, Weltoffenheit selbstverständlich. Dumpfbackiger Nationalismus, wie ihn manche hier immer wieder zu propagieren versuchen, wäre natürlich Gift für eine solche Entwicklung. Für den digitalen Strukturwandel werden gelebte Internationalität und Urbanität zu harten Standortfaktoren. Standortfaktoren, die es erlauben, Unternehmen anzusiedeln, die sichere, qualifizierte und gute Arbeitsplätze garantieren können.

In diesem Zusammenhang auch ein Wort zu Berlins größtem industriellen Arbeitgeber Siemens. Auch dieser global tätige Konzern versucht sich natürlich weltweit zukunftsorientiert aufzustellen, verschiebt und verdichtet seine Kompetenzen, gerade auch vor dem Hintergrund der Energiewende. Es ist aber kein Widerspruch hierzu, die Verantwortung eines Konzerns für seinen Heimatstandort und die hiesigen Arbeitsplätze einzufordern. Die deutsche und auch die Berliner Politik haben hier Flagge gezeigt und für die Berliner Siemensstandorte eine Menge erreicht. Das Dynamowerk am Spandauer Standort soll nun nicht mehr geschlossen, sondern verstärkt auf Forschung & Entwicklung ausgerichtet werden. Zu verdanken haben wir das allerdings nicht vornehmlich dem Siemens-Vorstand, sondern der Verhandlungsführung der IG Metall und des Berliner Senats, insbesondere des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller. So ist es auch gelungen, den Stellenabbau deutlich geringer als geplant zu halten und betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern.

Künftig soll es in Siemensstadt vor allem auch um innovative Technologie wie 3-D-Druck, Isolierungen und Kühlungen gehen. Die ins Auge gefasste Investition in der Größenordnung von 600 Millionen Euro in einen neuen Innovationscampus in Siemensstadt investieren, würde einen gewaltigen Sprung nach vorn bedeuten und neue Arbeitsplätze schaffen. Der Senat schafft hierfür bereits die planerischen Voraussetzungen. Der Standort Moabit soll zum weltweiten Kompetenzzentrum für große Gasturbinen werden. Das heißt, Arbeitsplätze bleiben, Produktion bleibt in Berlin und für einen späteren Neuaufwuchs von Arbeitskräften darstellen.

Das klingt nicht nur gut, das ist auch gut.

Und das Thema Energiewende ist für Berlin auch ein Megathema und eine riesige Chance. Ich kann auch nicht verstehen, Herr Gräff, weshalb Sie hier das Berliner Stadtwerk, das wir endlich, nachdem wir die CDU nicht mehr in der Regierung haben, nun starten können, dass wir nun einen Faktor der Energiewende daraus machen, dass Sie das herunterreden. Das ist mir unbegreiflich.

Ich möchte auch noch mal die Start-up-Szene, die für Berlin eine riesige Bedeutung hat, hervorheben. Ich muss nicht alles wiederholen, was Frau Ludwig völlig zu Recht gesagt hat. Die DigiHubs, auch die Digitalagentur, diese Dinge habe ich auch auf dem Schirm.

Wichtig erscheint mir aber noch, dass man den Punkt der Arbeitskräfte hervorhebt. Wir haben hier einen Arbeitsmarkt, wo sich langsam auch ein Fachkräftemangel abzeichnet. Wir müssen, um auch Berlinerinnen und Berliner stärker dort einzubinden, in Weiterbildung investieren. Das geschieht sowohl in den Unternehmen als auch beim Senat.

Zu den Rahmenbedingungen gehören auch die Zukunftsorte – begonnen bei Adlershof, einem riesigen Erfolgsmodell, bis hin zum Campus Charlottenburg oder demnächst auch in Dahlem. Dort entsteht Wachstum weit über dem Durchschnitt.

Wir können insgesamt feststellen, dass Berlin sich auf einem wirtschaftlich erfolgreichen Weg befindet. Diese Entwicklung geht jedoch nicht automatisch immer so weiter, sondern bedarf auch weiterhin der richtigen Impulse aus der Berliner Politik. Es bleibt noch viel zu tun. Das müssen und werden wir tun. Hierfür steht gerade auch diese Koalition!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

[Anm.: Das gesprochene Wort kann vom Manuskript abweichen]