Plenarrede zum Lieferverkehr 28.11.2018

Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Hand aufs Herz – wann haben Sie das letzte Mal etwas online bestellt? Jede Bestellung im Internet löst einen Warentransport aus, der für die Städte – und damit natürlich auch für Berlin – zum Problem geworden ist. Beschränkte sich zuvor der Lieferverkehr im innerstädtischen Bereich auf die Warendistribution für den Handel, werden nun verstärkt Güter an jeden einzelnen Haushalt geliefert.

Einerseits freuen wir uns individuell über jedes zugestellte Paket, ärgern uns aber andererseits – als Verkehrsteilnehmerin oder Verkehrsteilnehmer – über die Lieferwagen der Paketzusteller, die notgedrungen auf der Fahrbahn in der zweiten Reihe stehen oder, schlimmer noch, den Rad- oder Fußweg blockieren. Letzteres ist mehr als nur ein Ärgernis, sondern pure Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, vor allem der schwächsten unter ihnen, nämlich Kinder und Senioren.

Hier sollte in der Tat gegengesteuert werden. Der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion erkennt das Problem, das durch den vom Online-Handel verursachten Lieferverkehr entstanden ist und auch zukünftig noch verschärft werden dürfte. Allerdings bietet der Antrag kaum gangbare Lösungsansätze, dafür aber viel Widersprüchliches. So fordern Sie, werte Kollegen von der FDP, zwar ein „systematisches Durchgreifen gegen das Parken von Lieferfahrzeugen auf Gehwegen, Radwegen und in zweiter Reihe“, das vorzugsweise durch die Einrichtung und Freihaltung von Lieferzonen (sic!) erreicht werden soll, aber gleichzeitig (!) soll darf das Parklatzangebot für den Individualverkehr nicht leiden.

Nehmen wir einmal diesen Widerspruch in den Blick: Der städtische Lieferverkehr geht durch den Online-Handel über die Belieferung von Ladengeschäften weit hinaus. Insbesondere in Stadtkernbereichen und hoch belasteten Hauptverkehrsstraßen mit Geschäftsbesatz verschärft sich dadurch das Problem, dass zum Be- und Entladen oft lediglich Flächen des öffentlichen Straßenraumes zur Verfügung stehen und somit eben der Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit durch den Lieferverkehr behindert wird. Die Einrichtung von Ladezonen soll hier bereits Abhilfe schaffen.

Ladezonen in Berlin bedeuten, dass ein absolutes Halteverbot für alle außer dem Lieferverkehr definiert wird, oft auch mit entsprechenden Markierungen. Das bedeutet gleichzeitig, dass hier nicht geparkt werden darf – was natürlich nur so wirksam ist, wie es von den Ordnungsämtern überwacht wird. Doch eines ist sicher: Ladezonen kosten Parkplätze, da beißt die Maus keinen Faden ab! Außerdem liefern die Paketdienste überall dahin, wo etwas bestellt wurde, d.h. in jede Straße. Es ist also kaum möglich, dem Problem durch mehr Ladezonen, am besten in jeder Straße, zu begegnen.

Zur Lösung dieses Problems hat sich beispielsweise Wien die „Grätzel-Box“ einfallen lassen. Sie soll die zahlreichen Zustellfahrten bündeln, indem die Pakete in fußläufiger Entfernung der Empfänger abgegeben und abgeholt werden können. Dafür eignen sich z. B. leerstehende Geschäftslokale im Erdgeschoss oder Mobility Points im Straßenraum, die von allen Zustelldiensten genutzt werden können. Wenn der FDP-Antrag die Sicherung von Flächen für Packstationen fordert, geht dies zumindest in eine ähnliche Richtung. Allerdings ist auch im Gehwegbereich der Straßenraum nicht beliebig vermehrbar.

Wir werden nicht umhin kommen, einen Stadtentwicklungsplan Mobilität aus einem Guss zu erarbeiten, der natürlich den Lieferverkehr einschließen muss, der aber von der Realität des begrenzten öffentlichen Straßenraums auszugehen hat und daher sicherlich auf eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs hinauslaufen wird.

Demgegenüber ist der FDP-Antrag insgesamt auf die Quadratur des Kreises ausgelegt, fordert die sprichwörtliche „eierlegende Wollmilchsau“, und ist daher wirklichkeitsfremd und wenig sinnvoll. Ich empfehle daher, ihn abzulehnen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit!