Ein zentrales Mahnmal kommunistischer Gewaltherrschaft?

Plenarrede vom 31.10.2019

Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

es geht jetzt nicht darum, diese Opfergruppen von einer bestimmten Partei vereinnahmen zu lassen – wie es hier ja praktisch geschieht – sondern es geht um das Problem insgesamt. Und da gibt es auf der Bundesebene, das wissen Sie genau, auch bereits Bewegung.

Wir hier in Berlin und auf Bundesebene begehen in diesem Jahr den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und dürfen im kommenden Jahr den der deutschen Einheit feiern. Diese beiden Ereignisse sind deshalb Grund zum Feiern, weil sie ein Zeichen der Demokratie sind. Sie bedeuten das Ende der SED-Diktatur, das durch eine – friedliche – Revolution letztlich herbeigeführt wurde.

Mit dem Ende der SED-Diktatur begann deren Aufarbeitung, die auf vielfältige Weise geschieht – die wissenschaftliche historische Einordnung ist dabei natürlich ein zentraler Baustein, aber auch der öffentlich-mediale Diskurs, die pädagogische Aufbereitung, die Beratung der Stasi-Opfer, der Zugang der ehemaligen DDR-Bürger zu diesen Unterlagen u.v.m. gehört dazu. Und selbstverständlich das Gedenken an die Opfer.

Gedenken, Aufarbeitung und Aufklärung gehen Hand in Hand an Gedenkstätten wie Hohenschönhausen und fließen ebenso ein in die Entwicklung des „Bildungs- und Erinnerungsortes am Checkpoint Charlie“, des „Lernortes Polizeigefängnis Keibelstraße“ sowie dem Campus für Demokratie.

Dieser Campus für Demokratie wird auf dem Areal der früheren Stasi-Zentrale Berlin-Lichtenberg entstehen. Dazu haben wir – das Abgeordnetenhaus von Berlin – uns am 22. März letzten Jahres bekannt. Das Leitbild der Entwicklung der Stasi-Zentrale zu einem Campus für Demokratie richtet dabei den Blick auf Repression, Revolution und Aufklärung im Kontext der Demokratiegeschichte. Demokratie wird hier bewusst als Kontrapunkt gesetzt zu Repression und Verfolgung an diesem Ort, der eben auch zum Schauplatz der Friedlichen Revolution geworden ist, als mutige Bürgerinnen und Bürger auf das Gelände vordrangen, um das Ende der Geheimpolizei zu besiegeln. Der Campus für Demokratie soll also zu einem Ort werden, der dazu einlädt, die gesellschaftliche Dynamik zwischen Diktatur und Demokratie zu reflektieren.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt bereits Institutionen und Orte des Gedenkens und der Aufarbeitung und mit dem Campus für Demokratie auch ein Leitbild, das das Ziel der Friedlichen Revolution in den Fokus rückt. Freiheit und Menschenrechte sind Ziele vor allem da, wo sie unterdrückt werden. Die Friedliche Revolution hat gezeigt, dass sie auch gewaltlos erkämpft werden können, gerade von jenen, die auch Gewalt erfahren mussten.

Die AfD-Fraktion hat nun einen Antrag eingebracht, in dem sie ein – ich zitiere: „Denkmal zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft“ – fordert.

Dem Antrag ist zu entnehmen, dass man sich allerdings weniger auf Demokratie, Freiheit und Menschenrechte besinnen, sondern vielmehr die Opferhaltung monumental mahnend einnehmen möchte, indem an einem „zentralen Ort im Herzen Berlins“ eine „Auseinandersetzung mit der kommunistischen Gewaltherrschaft“ stattfinden soll.

Nun sind wir ja durch das häufige Klagen der AfD über irgendwelche Unbilden, die ihrer Fraktion – von „Altparteien und anderen „dunklen Mächten“ – vermeintlich beigebracht werden, ja hinlänglich an ihre Opferverliebtheit gewöhnt, dennoch glaube ich nicht, dass ihre Selbstwahrnehmung als Leitbild bei der Entwicklung einer Gedenkstätte  zielführend ist.

Zielführend wäre eine Konzeption im Sinne der Stärkung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten durch historisch-politische Bildung, die eines nicht sein darf, nämlich einseitig.

Das Konzept der historischen und politischen Bildung wie sie der AfD-Fraktion vorschwebt, ist schlechterdings einseitig bzw. monokausal aufgestellt, denn letztlich soll es – wie im Antrag zu lesen ist – „über den freiheitsfeindlichen Charakter des Sozialismus aufklären“. [Applaus] – Ja, Sie verwenden hier Begriffe wie Kommunismus, Sozialismus, alles synonym, spielt ja keine Rolle… –  Hier geht es also nicht um historisch-politische Bildung, die dazu beiträgt, zu verstehen, wie diktatorische, repressive Systeme funktionieren, unabhängig davon, ob links oder rechts. Es geht vielmehr darum, ein Feindbild zu pflegen – und hierfür Opfergruppen zu instrumentalisieren!

Die Feindbildpflege soll nach ihrem Willen denn auch zentral geschehen, sie stören sich daran, dass die existierenden Denkmäler und Erinnerungsorte sowohl dezentral als auch pluralistisch sind. Daher möchte man Gedenken nun zentralisieren, meinetwegen auch vereinheitlichen  – etwa in der Nachbildung der ja vorgeblich beklagten diktatorischen Systeme, die sich ja gerade darin auszeichneten zu vereinheitlichen oder gleichzuschalten, um so alle Bereiche des öffentlichen wie privaten Lebens besser kontrollieren zu können.

Also, warum nicht auch „Opfergruppen und Repressionsformen“, „Zeitabschnitte“ und Schauplätze in einem „Dokumentationszentrum“ unter einen Hut bringen? So lassen sich über monokausales Erklären und einseitiges Erinnern unter dem Titel „historische und politische Bildung“ doch vorzüglich einfache Antworten auf komplexe Fragen generieren.

Mit anderen Worten – die AfD-Fraktion greift mal wieder nach der Geschichte, um sie in ihrem Sinne zu schreiben und sie sich zurecht zu biegen.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Entwicklung des Campus für Demokratie und auf das, was auf der Bundesebene ohnehin läuft, halte ich diesen Antrag nicht für zielführend, aber wir werden ihn im Ausschuss ja dann beraten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Der Wortlaut des Manuskripts kann vom Vortrag abweichen.)