Vielfältige Gewerbestrukturen schützen – »Berliner Mischung« erhalten!

Frau Präsidentin,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

wenn ich bei einem meiner regelmäßigen Rundgänge durch die Geschäftsstraßen meines Wahlkreises die Gewerbetreibenden frage, womit die Politik sie unterstützen könne, erhalte ich zwei Antworten am häufigsten. Die eine Bitte lautet: »Schicken Sie uns Kunden!« – eine Aufforderung, die sicherlich nur in Ausnahmefällen zu einem spürbaren Zuwachs an Kundschaft führen wird, denn schließlich sind Abgeordnete keine Werbeagentur. Noch häufiger ist allerdings die zweite Forderung: Sorgen für eine Begrenzung der Gewerbemieten!  Und hier sehe ich die Politik durchaus in der Pflicht.

Anders als im sozialen Mietrecht für Wohnungen gibt es für  Gewerbemietverträge bislang praktisch keinen Schutz. Mieterhöhungen nach Belieben, auch Kündigungen ohne Grund sind ohne weiteres möglich, je nachdem, was der Markt hergibt. Wenn es eines Beispiels bedürfte, dass der Markt eben nicht alles zum Wohle der Allgemeinheit richtet, dann dieses – nicht wahr, liebe CDU, nicht wahr, liebe FDP?

Natürlich gehört es für eine attraktive Stadt wie Berlin dazu, eine gesunde Gewerbestruktur in den Kiezen zu haben. Das dient ja nicht nur den Gewerbetreibenden selbst, sondern auch den vielen Menschen, die hier leben und nicht nur Immobilienmakler, Nagelstudios oder Bestattungsunternehmen in der Umgebung brauchen. Es trifft neben kleinen Unternehmen auch soziale Einrichtungen, die nach dem Gewerbemietrecht behandelt werden. Frau Kollegin Schmidberger hat hier ja schon einige Beispiele genannt.

Es geht um den Erhalt der »Berliner Mischung«, die charakterisiert ist durch die Spreizung einer breiten Mittelschicht, die noch in der Innenstadt lebt. Und diese Mittelschicht hat die beliebten und daher gut besuchten Kieze Berlins erst dazu gemacht: »Berliner Mischung« meint nämlich gerade auch die Nutzungsmischung, die im dichten Nebeneinander von Wohnen, Gewerbe und Produktion besteht.

Die Berliner SPD hat schon vor 15 Jahren eine Bundesratsinitiative angestoßen, um ein soziales Gewerbemietrecht einzuführen. Damals scheiterte die Initiative leider noch, weil offenbar der Druck auf die Gewerbeimmobilien in anderen Bundesländern noch nicht so spürbar war. Die Situation hat sich inzwischen aber deutlich gewandelt, und im vergangenen Herbst formulierte der Bundesrat wiederum auf Berliner Initiative, diesmal mit Unterstützung anderer Länder, die Besorgnis, dass sich in innerstädtischen Lagen in den letzten Jahren vor dem Hintergrund erheblicher Steigerungen der Gewerbemieten ein Strukturwandel abzeichnet, der auch von einer Verdrängung kleiner inhabergeführter Gewerbebetriebe und sozialer Einrichtungen (zum Beispiel Kitas und Jugendeinrichtungen) geprägt ist, und er forderte die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf, tätig zu werden.

Inzwischen liegt immerhin auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag vor, der zwar die Nichtanwendbarkeit des sozialen Mietrechts auf Gewerbeverträge feststellt, aber auch Wege aufzeigt, wie in bestimmten Fällen das Eigentumsrecht der Immobilienbesitzer gegenüber Gemeinwohl abzuwägen wäre.

Die rot-rot-grüne Koalition legt daher den Antrag »Vielfältige Gewerbestrukturen schützen II« vor, der eine weitere Bundesratsinitiative mit konkreten Forderungen auf den Weg bringt – und das ist kein populistischer Antrag, Herr Gräff!

Doch nicht nur auf Bundesebene kann die Politik etwas zur Erhaltung von funktionierenden Gewerbestrukturen tun. Der Antrag »Vielfältige Gewerbestrukturen schützen – Berliner Mischung erhalten«, der heute hier zur Abstimmung steht formuliert einen Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten. Ein bezirkliches Gewerbeflächenmanagement muss eingerichtet werden. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind als Vermieterinnen von Gewerbeimmobilien allerdings in der Pflicht. Ja und auch die Gründung eines städtischen Unternehmens zur Vermietung von Gewerberäumen kann eine Option sein. Ich hielt den Verkauf der GSG seinerzeit schon für keine gute Idee, aber das muss ja nun nicht heißen, dass das Land Berlin auch in Zukunft Gewerbeimmobilien nicht als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sehen darf. Längst wird eine neue Liegenschaftspolitik im Land Berlin praktiziert.

Ich bitte um Zustimmung zu den beiden Anträgen und danke für die Aufmerksamkeit!