Neue Studie zu Hartz IV

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine neue Studie über Hartz IV herausgegeben, die über die derzeitige Lage am Arbeitsmarkt informiert.

Seit der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe 2005, die unter dem Namen »Hartz IV« berühmt und berüchtigt wurde, reißt die Debatte über die Gerechtigkeitsprobleme dieser Reform nicht ab. Zahlreiche Wahlanalysen kommen nicht erst seit 2017 zu dem Ergebnis, dass diese Reform wie ein Mühlstein am Hals der SPD hängt. Die Probleme hier sind vielfältig und keineswegs auf die Fragen der Versorgungshöhe bzw. der Sanktionierung zu beschränken. Die neue Studie des DIW Berlin gibt über diese Fragen keinen Aufschluss, aber sie unterrichtet über die aktuelle Entwicklung.

Die gute Nachricht ist, dass die Arbeitslosigkeit unter den Hartz-IV-Empfängern (=Arbeitslose aus dem Rechtskreis des SGB II) insbesondere seit dem Frühjahr 2016 schneller zurückgegangen ist, als unter jenen Arbeitslosen, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen (=Arbeitslose aus dem Rechtskreis des SGB III). »Die meisten jugendlichen und erwachsenen Bedürftigen sind nicht arbeitslos.« (S. 722) Das ist insofern erstaunlich, als dass arbeitslose Hartz-IV-Empfänger im Schnitt schlechter qualifiziert sind als »normale« Arbeitslose. »Dabei spielt möglicherweise eine Rolle, dass sich entgegen des zuvor bestehenden, langfristigen Trends in jüngerer Zeit die Beschäftigungsstruktur hin zu einfachen Tätigkeiten verschoben hat.« (S. 725, auch 726)

Leider wird diese an sich gute Nachricht durch das zweite Hauptergebnis der Studie konterkariert. Die Zahl der Hartz-IV-Leistungsempfänger stagniert seit 2011 und liegt damit in etwa konstant bei knapp unter 6 Millionen. Das liegt daran, dass viele Hartz-IV Empfänger zu wenig verdienen bzw. prekär beschäftigt sind und daher »aufstocken« müssen. ZEIT online (2.5.2018) zufolge, sind beinahe 10 % der deutschen Haushalte (sog. »Bedarfsgemeinschaften«) von Hartz IV betroffen. Immerhin ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen stetig gesunken. Trotz Einführung des Mindestlohns ist der Monatsverdienst im unteren Lohnsegment in etwa gleich geblieben, da hier die Arbeitszeit zurückgegangen ist (DIW-Wochenbericht 27/2018, S. 600)

Interessant ist auch die Rolle der Zuwanderung. Seit 2016 lassen sich zwei Trends feststellen, nämlich einerseits eine absolute sowie anteilsmäßige Zunahme von ausländischen Staatsangehörigen unter den erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern und andererseits seit 2007 ein stetiger Rückgang bei den deutschen Staatsangehörigen. Ende 2017 stellten »Personen mit einem Migrationshintergrund (erste und zweite Generation) nach einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit 56 Prozent aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.« (S. 721)

Wie soll man diese Zahlen interpretieren? Die Studie selbst weist vor allem auf zwei Punkte hin. Erstens zeigen die Zahlen, dass Hartz-IV immer mehr zu einem System der sozialen Unterstützung entwickelt und immer weniger ein System der Jobvermittlung darstellt. Zweitens könne eine Reform von Hartz IV sich nicht allein auf die Langzeitarbeitslosen konzentrieren, da deren Zahl abnimmt.

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass eine Rückkehr zum alten System aus Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Alternative zu Hartz IV sein kann. In Bezug auf die aktuelle Diskussion zu den Sanktionen, führt der Autor der DIW-Studie an, dass für eine Unterstützungsleistung doch eine Gegenleistung erwartet werden könne. Dass man erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern eine Arbeitsstelle garantieren kann – das ist der Kern des SGE – nimmt aber genau hierauf Rücksicht. Zudem stellt Hartz IV eine Existenzsicherung am Existenzminimum dar: Wenn man also meint, hier bis zu 100% kürzen zu können – unabhängig vom Alter –, was sagt das über unsere Gesellschaft dann aus? Es muss ein besseres Anreizsystem her. Denkbar wäre zum Beispiel ein Kombisystem aus einer fraglosen Grundsicherung und einem Belohnungs- oder Punktesystem zur Unterstützung der Eigeninitiative zum Zwecke der Arbeitsaufnahme. Die staatliche Inanspruchnahme von individuellen Gegenleistungen wird zudem durch das SGB II selbst konterkariert, weil man die sogenannten »Bedarfsgemeinschaften« eingeführt hat, was nichts anderes heißt, als das unbeteiligte Dritte in das behördliche Sanktionssystem hineingezogen werden.

Auch die Qualifizierung und Integration von anerkannten Asylbewerbern muss vorangetrieben werden, damit diese nicht im Sozialsystem hängen bleiben. Hartz-IV muss endlich zu einem akzeptierten und menschenwürdigen System der Sozialunterstützung umgebaut werden. Es muss bessere Angebote für erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger geben, wie sie Michael Müllers Vorschlag vorsieht.

Quellen:
Neue DIW-Studie:
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.596505.de/18-34-1.pdf

Mindestlohn:
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.593455.de/18-27-3.pdf

Hartz-IV-Haushalte:
https://www.zeit.de/2018-04/arbeitsmarkt-hartz-iv-arbeitslosigkeit-statistik