Bibliothekskonzept, zweite Lesung
Entwicklung eines Bibliothekskonzepts, Plenarrede vom 13.09.18 zum Antrag der Koalition, zweite Lesung
Frau Präsidentin,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
schon kurz nach unserer letzten Debatte zur Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) wurde die Standortfrage entschieden. Gebaut wird neben der AGB am Blücherplatz in Kreuzberg. Die ZLB begrüßt diese Entscheidung, die auch ich für absolut nachvollziehbar halte. Am Marx-Engels-Forum, das ja ebenfalls als Standort im Gespräch war, hätten die notwendigen Aushubarbeiten zu unkalkulierbaren Bauverzögerungen führen könnten. Schließlich liegt dort das Gründungsgebiet Berlins.
Im Vorfeld der Bauplanung gibt es einen partizipativen Prozess, der bereits im Gange ist. Unter dem Motto »Bibliothek findet Stadt – Stadt findet Bibliothek« bietet die ZLB einen Themenraum, der aktuelle Stadtplanungs- und Bauprojekte vorstellt, bei denen sich Berliner Initiativen, Interessengruppen und einzelne Bürgerinnen und Bürger einbringen können und so an der Zukunft ihrer Stadt teilhaben.
Im Themenraum finden sich Informationen zur Stadtplanung, zu den Partizipationsmöglichkeiten und zu den Bibliotheken der Zukunft. Regelmäßig finden Diskussionsveranstaltungen mit Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen statt. Mittels Workshops und anderer Werkstattformate sollen Berliner Bürgerinnen und Bürger, die ja zugleich im Wesentlichen die Nutzerinnen und Nutzer der Berliner Bibliotheken sind, ihre Ideen und Meinungen, ihre Anregungen und Wünsche sowie ihre ganz eigenen Projekte und Pläne einbringen können. Also geht schon in die Planung des ZLB-Neubaus eine nutzerorientierte Perspektive ein!
Das soll, wie ich in meiner letzten Rede zum Thema im Juni bereits ausgeführt habe, generell die Perspektive des Berliner Bibliothekskonzeptes sein: Orientierung an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer im 21. Jahrhundert und Unterstützung zeitgemäßer Medienkompetenzen.
So sympathisch mir als begeisterter Leser echter Bücher aus Papier mit Rücken und Lesebändchen persönlich die Hinweise des Kollegen Juhnke bei unserer Debatte im Juni erschienen – Herr Juhnke freute sich zu Recht, dass das Buch nicht tot, das Lesen nicht out ist, und er wünschte sich Bibliotheken als »Orte des angenehmen Verweilens« –, so muss man doch klar darauf hinweisen, dass das Bibliothekskonzept von R2G weit über eine solch eher konservative Haltung zum aktiven Mediengebrauch hinausgeht und Medienkompetenzen in ihrer ganzen Bandbreite entwickelt.
Der Medienwandel – Stichwort »Digitalisierung« – soll nicht nur nachvollzogen werden, sondern es sollen neue Dienstleitungsangebote entwickelt werden. Die Kooperation der Berliner Bibliotheken soll optimiert und auf der Grundlage relevanter Kennzahlen sollen Standards für die personelle, finanzielle und technische Ausstattung definiert werden. Die Kooperation mit den Universitätsbibliotheken und der Staatsbibliothek soll gestärkt werden. Wir wünschen uns auch eine Vereinheitlichung der Grundöffnungszeiten, die Bereitstellung möglichst vieler WLAN-fähiger Plätze und große Freihandbereiche. Und natürlich spielt die Sicherung der Finanzierung und der Arbeitsplätze in dem avisierten Rahmenkonzept eine gewichtige Rolle.
Was die Schulbibliotheken angeht, habe ich bei Schulbesuchen den Eindruck gewonnen, dass es hier vor allem an Aufsichtspersonal mangelt. Das wäre ein nachgerade klassischer Arbeitsplatz, der im Kontext des Solidarischen Grundeinkommens angeboten werden könnte.
Im Übrigen ist auch die Bibliothek des Abgeordnetenhauses eine öffentliche Bibliothek. Bürgerinnen und Bürger können z.B. den Präsenzbestand nutzen. Für die Bibliothek des Bundestages gilt das wiederum nicht. »Unsere« Bibliothek ist allerdings nicht dem Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) angegliedert, wohl aber dem Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV). Man kann an diesem sozusagen nahe liegenden Beispiel erkennen, wie wichtig die Standardisierung des Berliner Bibliothekswesens ist.
Wichtig ist außerdem: Das Berliner Bibliothekskonzept und die mit ihm verbundenen Standards sollen in partizipativer Form ermittelt werden. Befürchtungen, dass hier eventuell die Bezirksautonomie verletzt werden würde, sind daher gänzlich unbegründet. Vielmehr wird der Senat eine Kommission einrichten, der die Bezirke ebenso wie Bibliotheksvertreterinnen und -vertreter angehören werden. Diese Kommission wird die landesweiten Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung und die Arbeit die Berliner Bibliotheken erarbeiten.
Ein Hinweis sei mir am Schluss noch gestattet: Am kommenden Wochenende findet das erste Berliner Bibliotheksfestival statt, dass das zwanzigjährige Bestehen des erfolgreichen Zusammenschlusses (VÖBB) der 12 Berliner Bezirksbibliotheken und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin feiert. Dabei wird es auch darum gehen, was für eine Bibliothek wir brauchen, um die Demokratie zu fördern (16.9.2018, 15.00 Uhr, AGB). Wie müssen Bibliotheken gebaut und ausgestattet sein, um dieser Aufgabe gerecht zu werden? Welche programmatischen Angebote, welche Zugänge werden gebraucht? Das sind wichtige Fragen – und für die Bürgerinnen und Bürger besteht die Möglichkeit, an den Antworten teilzuhaben. Nur dann können die Berliner Bibliotheken auch Bibliotheken der Berlinerinnen und Berliner sein.
[Das gesprochen Wort kann vom Manuskript abweichen]