Lieferdienste – Update für das Wirtschaftsverkehrskonzept
Manuskript meiner Plenarrede zur Lage der Lieferdienste in Berlin vom 22. Februar 2018
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,
der Antrag der FDP zu den Herausforderungen des steigenden innerstädtischen Lieferverkehrs fordert, dass der Senat zu den Problemen des expandierenden Lieferverkehrs ein Konzept entwickeln solle.
Nach einer Studie des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik sind in unserer Stadt täglich ca. 2500 Lieferwagen unterwegs. Sie stellen mehr als 376.000 Pakete zu. Viele Fahrzeuge sind Dieselfahrzeuge, zumeist 3,5-Tonner.
Ich finde es löblich, wenn es nun sogar der FDP auffällt, dass hier ein Problem besteht, welches der freie Markt nicht von selbst lösen kann und wird. Ich finde prinzipiell auch gut, wenn Politik »proaktiv handelt«. Neu ist mir, dass sich dieser Begriff plötzlich auch im Wortschatz der FDP wiederfindet, meint er doch vorausschauende und konzeptionell abgestimmte Planung. Der Ehrlichkeit halber muss man aber auch feststellen, dass es für »proaktives Handeln« zu spät ist, denn die Probleme sind ja bereits da.
Natürlich ist das sowohl der Koalition als auch dem Senat längst aufgefallen, und es braucht dafür keinen FDP-Antrag. Der Senat arbeitet bereits seit November 2016 gemeinsam mit den Unternehmen, Verbänden, den Kammern und den Infrastrukturbetreibern an einer Neuauflage des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzeptes von 2005 (IWVK). Allein im Jahr 2017 fanden elf Fachworkshops in verschiedenen Arbeitsgruppen statt ¬– darunter befindet sich auch eine Arbeitsgruppe zu KEP- und Post-Diensten.
Ziel ist die stadtverträgliche Gestaltung des Wirtschaftsverkehrs. Es gilt, die steigenden Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit der Transporte mit den Erfordernissen von Lebensqualität, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu vereinbaren.
Die Verbesserung und Anpassung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzepts, das auch von den Bezirken zu beachten sein wird, ist ein wichtiger Baustein des Stadtentwicklungsplans »Verkehr und Mobilität«. Dieser neue StEP wird gerade an einem Runden Tisch unter Beteiligung der verkehrspolitischen Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen – auch der FDP — erarbeitet. Allerdings ist die FDP dort bisher nicht mit Vorschlägen aufgefallen.
Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist es natürlich dringend notwendig, ein stringentes und praktikables Konzept zu erstellen und zügig umzusetzen. Einem solchen Konzept ist allerdings nicht damit gedient, dass man eine Wunschliste formuliert und an den Weihnachtsmann schickt, so wie es die FDP macht. Sie fordern zum Beispiel Parkzonen und gleichzeitig einen ausreichenden Ersatz an Parkplätzen.
Aber liebe freie Demokraten – Ihnen dürfte doch klar sein, dass in den verdichteten Innenstadtbereichen, die Einrichtung von Lieferzonen auf Kosten der Parkplätze gehen wird. Und diese Verdichtung wird aufgrund des Wohnungsbaus weiter zunehmen.
Man kann aber nicht die ganze Stadt untertunneln, um dort zum Beispiel Tiefgaragen einzurichten; erst recht nicht, wenn neue Wohnungen noch bezahlbar sein sollen – ein Problem, das Ihre Wähler zwar mutmaßlich nicht haben, viele Berlinerinnen und Berliner aber schon. Man sollte also ehrlich sein und nicht Illusionen wecken: Parkzonen für Lieferdienste sind zwar sicher eine Möglichkeit, Probleme abzubauen, aber sie werden Parkplätze kosten.
Wir sollten daher auch offen sein für alternative Lösungen, die beispielsweise die Belieferung mittels Lastenfahrrädern vorsehen. Auch hier ist aber Realitätssinn gefragt, denn es werden auch große und schwere Lieferungen zugestellt, dafür braucht man motorisierte Fahrzeuge. Wenn die elektrisch betrieben werden, umso besser!
Außerdem umfasst das Problem eben auch den Lieferverkehr der Supermärkte. Da kommt man um LKWs wohl kaum herum.
Eine »Heinzelmännchen-Belieferung«, bei der die Waren quasi unbemerkt in die Läden kommen, wird sicherlich eine Wunschvorstellung bleiben.
Meine Leitidee läuft auf eine intelligente Abstimmung zwischen verschiedenen und jeweils zweckabgestimmten Lieferkonzepten hinaus. Auch sprechen muss man dabei über die Beschäftigungsbedingungen der Lieferantinnen und Lieferanten. Zu einem guten Service gehört auch, dass man den Fahrerinnen und Fahrern realistische Zeitplanungen gibt und sie vernünftig bezahlt. Hier gibt es Nachholbedarf. Viele Klagen über schlechte Belieferung haben darin eine Ursache.
Zu guter Letzt ist auch Forschungsförderung für die Entwicklung zukunftsfähiger Kurier-Express-Paket-Dienste auf jeden Fall eine vernünftige Strategie. Etwa könnten die Mittel für die Elektromobilität – zum Beispiel aus dem Förderprogramm »Schaufenster E-Mobilität« des Bundes – verstärkt für Modellprojekte für stadtverträgliche E-Fahrzeuge eingesetzt werden. Dazu gehören auch E-Bikes, die für kleine Sendungen geeignet sind. Erste Pilotprojekte gibt es in Friedenau, die ausgedehnt werden müssen.
Hier sind viele gute Ideen gefragt, die wir diskutieren werden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Hinweis: Das gesprochene Wort kann von diesem Manuskript abweichen.)