Solidarität mit der Ibn Rushd-Goethe-Moschee und Frau Seyran Ateş
Rede zum Antrag der AfD-Fraktion vom 30.11.17
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,
ein Antrag der AfD-Fraktion, in dem Solidarität mit einer Moschee und einer Muslimin gefordert wird, ist zunächst einmal überraschend.
Üblicherweise tut sich diese Partei durch platte Islamfeindlichkeit hervor, wie beispielsweise der von der AfD aufgestellte Kandidat für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten Albrecht Glaser, der öffentlich erklärt hat: »Der Islam ist eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kennt und die sie nicht respektiert, und die da, wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsfreiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.«
Dass dies in der AfD keine isolierte Einzelmeinung ist, sondern dort im Mainstream liegt, ist schon daran zu erkennen, dass die Partei den Kandidaten Glaser für ein so bedeutendes Amt wie das eines Bundestagsvizepräsidenten nominiert hat und in immer neuen Wahlgängen durchzusetzen versuchte. Das ist eine kalkulierte Provokation unseres Rechtsstaats, der insbesondere die freie Religionsausübung als ein hohes Gut unserer freien Gesellschaft schützt. Doch die AfD will ja gerade daraus politisch Kapital schlagen, dass sie Ressentiments gegen Menschen anderer Hautfarbe, anderer kultureller Herkunft und anderer Religion schürt und insbesondere die Islamfeindlichkeit zum Programm erhoben hat.
Von daher also ein zunächst überraschender Antrag aus dieser Ecke, der ja doch den Anschein erweckt, Unterschiede innerhalb der verschiedenen Strömungen des Islam zu erkennen und sich mit Frau Ates und der von ihr gegründeten Moschee in Moabit solidarisch erklärt. Ob dies nun bloß ein besonderer politischer Schachzug sein soll, oder sich hier gar ein Richtungsstreit innerhalb der AfD offenbart, ist ohne Belang. Frau Ateş dürfte im Übrigen auch keinen Wert auf Solidaritätsadressen von dieser Seite legen!
Worum geht es in Wahrheit? Es geht um eine mutige, liberale Muslimin, die eine Moschee gegründet hat, in der nicht Hass gepredigt wird, wo der Islam nicht konservativ und frauenfeindlich interpretiert wird und wo Toleranz gegenüber Andersdenkenden Prinzip ist.
Es geht um eine humanistische Reformgemeinde, die spirituelle Heimat für alle Moslems sein will, die für Toleranz, Gewaltfreiheit und Geschlechtergerechtigkeit eintreten.
Es geht um einen Islam, der den Koran aus seinem historischen Kontext heraus versteht, und in dem für einen Dschihad kein Platz ist. Es gibt auch gewaltbejahende Passagen in der Bibel, die für die heutige christliche Religionsausübung überhaupt keine Rolle mehr spielen, und die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee ist ein Gotteshaus, in dem dies auch für den Islam gilt.
Der Name der Moschee ist hierbei Programm: Der muslimische Aufklärer aus dem Spanien des 12. Jahrhunderts Ibn Rushd, der – selber arabisch stämmig – eine multikulturelle Blüte jener Zeit in Spanien, einen interreligiösen Dialog möglich machte, wird kombiniert mit dem Namen Goethes, der mehr als sechs Jahrhunderte später lebte und für die Aufklärung hierzulande steht. Dies ist ein starkes Signal, das nicht jedem gefällt, das aber unbedingte Unterstützung verdient.
Wenn diese Moschee von Angriffen bedroht ist, egal von welcher Seite, hat sie Anspruch auf Schutz durch unseren Rechtstaat. Jede Form von Einschüchterungsversuchen gegenüber den Gläubigen der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee oder ihrer Initiatorin Seyran Ateş muss auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. Jeder Form der Gewaltausübung muss mit allen Mitteln des Rechtstaates begegnet werden.
Hier gibt es aus Sicht der SPD-Fraktion nicht die geringsten Zweifel. In welcher Form das Abgeordnetenhaus Berlin sich solidarisch mit den humanitären Bestrebungen dieser Moschee und ihrer Initiatorin zeigt, das werden wir in den Ausschüssen diskutieren – ein Schnellschuss hilft hier niemandem. Ich bin gespannt auf die Debatte!
(Hinweis: Das gesprochene Wort kann von diesem Manuskript abweichen.)