Sigmund Jähn im Charlottenburger Gespräch

1978 startete Sigmund Jähn als erster Deutscher an Bord eines Sojus-Raumschiffs in den Weltraum. Fast genau 39 Jahre und einen Monat später war er in meinem Wahlkreisbüro zu Gast, um über die vielfältigen Aspekte der Raumfahrt, über seinen Flug und sein Leben nach der Wiedervereinigung zu sprechen.

Mit Erfindung der Raumfahrt ist der Kosmos für uns Menschen kein metaphysischer Raum der Ideen oder Götter mehr, sondern ein Raum, der prinzipiell ebenso zu erreichen ist, wie ein anderer Kontinent oder das Ufer auf der anderen Seite eines Flusses. Wir nutzen diesen Raum, um neues Wissen zu gewinnen, Schiffe über Ozeane und das Partyvolk durch Kreuzberg-Friedrichshain zu navigieren oder globale Kommunikation zu ermöglichen. Der Weltraum ist uns gewissermaßen nahe gerückt, wir denken über eine Besiedelung nach und wir werfen einen Blick auf uns selbst. Gerade auch in Berlin ist der Weltraum »näher« als man vielleicht auf den ersten Blick denken mag, denn hier haben sich eine Menge Unternehmen angesiedelt, die zur Raumfahrtbranche gehören.

Grund genug, den ersten Deutschen im All, der heute in Strausberg bei Berlin lebt und Ehrenbürger unserer Stadt ist, einzuladen und ihn nach seinen Erfahrungen und Auffassungen zu fragen.

Bild 1: Astronaut Jähn mit Co-Pilot Jahnke in der Station »Goethe15«.

Ein Thema war natürlich der propagandistische Rahmen dieses Raumflugs Ende der 1970er Jahre. Seinerzeit war, so Jähn, in Moskau bekannt, dass das amerikanische Shuttleprogramm verspätet an den Start gehen würde. Ebenso bekannt war selbstverständlich auch, dass sich in Köln ein Team auf den astronautischen Ausflug vorbereitete. Jähn spekulierte, dass sich damit für Moskau ein »Window of Opportunity« öffnete, das der DDR zu einem Profilierungserfolg verhalf. Am Ende war es dann Sigmund Jähn – der ursprünglich nur die Nummer drei im DDR-Auswahlprogramm war – der als erster Deutscher die Stratosphäre verließ, um an Bord der Raumstation Salut 6 zu gehen.

Bild 2: Ein von Jähn geschossenes Bild der Raumstation Salut 6.

Nach dem Flug verfasste Jähn ein handschriftliches Manuskript zu seinem Flug. Das fertige Ergebnis erschien unter dem Titel »Erlebnis Weltraum« und erwies sich als ein stark verändertes Buch, das ihm heute nicht mehr gefällt. Würde er heute noch einmal gebeten, seine Erlebnisse niederzuschreiben, käme vieles hinzu – und einiges natürlich auch weg.

Angesprochen auf den Sinn und Zweck der Raumfahrt kritisierte Jähn übereilte Auswanderungspläne. Erst die Erde ruinieren, dann auf den Mars auswandern, um dort schließlich nach gleicher Art und Weise fortzufahren? – Ist es nicht sinnvoller, sich gemeinsam um eine friedliche und nachhaltige Gestaltung der Heimat des Menschen zu bemühen? – Jähns Plädoyer für eine nachhaltige und besonnene Entwicklung auf der Erde schließt eine Rolle der Raumfahrt für wissenschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Zwecke – was z.B. die Erschließung neuer Rohstoffquellen wie etwa Helium-3 auf dem Mars betrifft – durchaus nicht aus. Seine Auffassung, dass der Mensch für die Erde gemacht sei, weil er von der Erde stamme, kann man allerdings kritisch sehen. Eine Reihe namhafter Anthropologen und Philosophen würden hier vernehmlich und mit guten Argumenten Widerspruch anmelden. Das ändert aber nichts daran, dass seine Forderung nach friedlicher, integrativer und nachhaltiger Zukunftsgestaltung des »Raumschiffs Erde« schlicht richtig ist. Wir sollten, so Jähn, »einen Ruck machen in Richtung Erde.«

Bild 3: Full House in der Goethe 15: Ein Blick ins Publikum.

Im Vorfeld zur Veranstaltung sind uns Mails von Interessierten zugegangen, die ihrem Bedauern Ausdruck gaben, aus beruflichen und terminlichen Gründen nicht teilnehmen zu können, obwohl Sigmund Jähn der »Held ihrer Jugend« gewesen sei. Eine Selbsteinschätzung, die auch aus Publikum heraus bestätigt wurde. Jähns Reaktion, der zu dem Rummel um seine Person ein so sympathisch-distanziertes Verhältnis hat, war beeindruckend, da er zugab, dass ihn dies zutiefst anrühre und er sich diesem Gefühl auch nicht entziehen könne. Bergeweise habe er Glückwünsche zu seinem 80sten Geburtstag erhalten. Immer noch ist er dabei, diese Post, und zwar jeden Brief einzeln, zu beantworten. Hier zeigt sich jemand, der seine Verantwortung als Prominenter ernst nimmt. Kurz nach der Wiedervereinigung hat es in Berlin Diskussionen gegeben, ob ein »Held des Sozialismus« Ehrenbürger bleiben dürfe. Berlin hat sich damals dafür entschieden, die Ehrenbürgerschaft aufrechtzuerhalten. Dass das eine richtige Entscheidung war, konnte man bei Jähns Besuch in der Goethestraße 15 eindrucksvoll erleben.

Trotz der schon fortgeschrittenen Zeit, feuerte das Publikum meinen Gast an, seine vorbereitete Präsentation über den deutschen Beitrag zur Raumfahrt vollständig abzuhalten. Und ja, es ist wahr, dass die Russen trotz offiziellem Verbot immer Hochprozentiges an Bord schmuggeln. Die inoffizielle Regel lässt pro Person ca. 100 ml zu.

Bild 4: Die »Ehrentasse« für den Ehrenbürger.

 

Presseecho:

Blog Gerhard Kowalski

TP-Presseagentur