Plenarrede contra FDP-Antrag zu Corona-Hilfen
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,
die FDP legt hier heute einen Antrag vor, der vorgibt, sich für die Belange der Wirtschaft einzusetzen. Auf Drucksache 18/2675 »Corona-Hilfen zielgenauer mit Umsatzausfallzahlungen vom Finanzamt« fordert die FDP, dass die Finanzämter direkt anhand der Umsatzergebnisse des letzten Jahres den Unternehmen monatlich 1/12 des Vorjahresumsatzes überweisen sollen. Im Duktus ähnlich abstruser Vorschläge geht der Antragstext weiter. Die Unternehmen, die das Geld nicht benötigen, sollen es dann unaufgefordert wieder dem Fiskus zurücküberweisen. Gerade haben Sie sich hier noch in der Aktuellen Stunde aufgeplustert und Steuerverschwendung angeprangert – und dann legen Sie solch einen Antrag vor?
Ich habe den Eindruck, bei der FDP liegen die Nerven blank, weil politisch betrachtet der Pleitegeier über ihr schwebt – um ihre Terminologie aus der Aktuellen Stunde noch einmal zu bemühen. Natürlich ist es für eine marktliberale Partei wie die FDP, die ständig predigt, der Markt richte alles am besten und der Staat solle sich gefälligst rauszuhalten, eine traumatische Erfahrung, wenn nun plötzlich alle nach dem Staat rufen. Große Konzerne wie TUI oder die Lufthansa tun dies ebenso wie die hippe Start-up-Szene, der sich die FDP sonst so gerne zu bemächtigten sucht. Ich denke da z. B. an den großen FDP-Strategen Christian Lindner, der mit seinem Handy wichtigtuerisch auf Wahlplakaten posiert, als wäre er selber schon so etwas wie ein Start-up-Unternehmer.
Also bei aller Wertschätzung, ich bin gelinde gesagt mehr als verwundert über diese Vorschläge, die einem fiskalischen Himmelfahrtskommando gleichen. Wenn man weiterliest, soll der Fiskus sogar zu hohe Gewinne der Unternehmen »zu 100% abschöpfen«. Also aus meiner Sicht käme dies einer Enteignung gleich und ist mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Stünde da nicht FDP über dem Antragstext, könnte man eher eine kommunistische Splittergruppe der Autorenschaft verdächtigen.
Und daher möchte ich mal fragen: Wo ist denn die immer wieder beschworene wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz der FDP an dieser Stelle? Und wie sieht es mit dem Datenschutz aus, der von der FDP sonst sogar zu Recht hochgehalten wird.
Was sagen denn Ihre Datenschutzexperten, liebe FDP, zu dem Vorschlag, dass das Finanzamt, weil es ja schon mal die gesamten Daten der Unternehmen hat, auch gleich als Zentralbehörde Wirtschaftshilfen auszahlen sowie Gewinne abschöpfen soll? Im Übrigen sind die Landesfinanzbehörden nach Artikel 108 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz für die Verwaltung von Steuern zuständig, nicht für die Verwaltung der Wirtschaftsförderung.
Ich weiß gar nicht, ob man überhaupt seriös auf einen solchen Vorschlag reagieren muss. Die begrenzte Redezeit lässt mir jedenfalls hierfür nicht viel Zeit. Aber ich will mal kurz eine Übersicht geben, was wir Sinnvolles im Bereich der Corona-Hilfen schon tun.
Die Finanzämter übernehmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise bereits viele Aufgaben: Die Stundung von Steuerlasten kann beantragt werden, die Vorauszahlungen der Einkommenssteuer, der Gewerbe- und Körperschaftssteuer kann angepasst werden,
Fristverlängerungen für Steuererklärungen werden großzügig bewilligt und die gewährten Corona-Hilfen sind gewinnwirksam zu berücksichtigen. Insofern ist mittelfristig auch dem Missbrauch und der Trittbrettfahrerei ein Riegel vorgeschoben.
Wichtig ist nämlich vor allem: Unsere Corona-Hilfen sind schnell, unbürokratisch und wirkungsvoll. Das haben alle Wirtschaftsverbände auch anerkannt. Die Abwicklung der Programme über die IBB hat sich bewährt.
Von den Zahlen her treibt der Antrag, wenn man ihn tatsächlich umsetzen wollte, besonders absurde Blüten. Grob gerechnet, müsste man nach dem Entwurf des vorliegenden Antrags für die steuerlich geführten Berliner Unternehmen monatliche Corona-Zahlungen durch die Berliner Finanzämter von 31.186.667.718 Euro leisten. Das entspräche 1/12 der gesamten in Berlin besteuerten Jahresumsätze des Jahres 2019, wie die FDP der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage ihres Fraktionskollegen Luthe entnehmen könnte. Dies läge allerdings in der Größenordnung des Berliner Jahresbudgets. Und das alles soll über den Berliner Haushalt bereitgestellt werden?
Allein diese absurden finanziellen Belastungen verbieten eine Unterstützung des Antrags.
Wir verfügen mit den Soforthilfeprogrammen I bis V bereits über ein effizientes Hilfesystem. Abhängig vom weiteren Verlauf der Krise, von der Ausgestaltung etwaiger weiterer Bundesprogramme will die SPD-Fraktion nachsteuern – das ist ja auch schon öffentlich bekannt und von der IHK belobt worden. Wir wollen zusätzliche Zuschüsse – ähnlich wie das Land Brandenburg für Unternehmen mit 10 bis 250 Beschäftigten. Das ist der Ergänzungsbedarf, den ich sehe.
Den FDP-Antrag hingegen brauchen wir nicht!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
[Hinweis: Die Rede wurde am 14. Mai 2020 gehalten. Das gesprochene Wort kann vom Redemanuskript abweichen.]